Im Strom der Zeit
„Lang ausgestreckt schläft das stille Dorf träumend am Saume weiter Wiesenbreiten; hindurch kriecht der einst so muntere Jüchener Bach, an dessen Ufer mächtige Pappeln schreiten. Altersgraue Wehrtürme, efeuumrankte Schloßmauern mit zierlichen Wappen, von großen Dynasten-geschlechtern zeugend, - nichts von dieser schimmernden Burgenromantik ist Kleinenbroich beschieden. Andächtig und bescheiden zugleich kauern die friedlichen Fachwerkhäuslein unter dem Dach früchteschwerer Obstbäume.“ So beginnt Franz Nauen 1925 das Kapitel über Kleinenbroich in seinem „Heimatbuch der Bürgermeistereien Korschenbroich, Kleinenbroich und Liedberg“. Ähnlich skizziert Hubert Köhnen 1974 einleitend die Entwicklung von Kleinenbroich „vom Bauerndorf zur Wohngemeinde“ und stellt schließlich fest: „Es war ein unverfälschtes dörfliches Idyll, das nun völlig verschwunden ist.“
Kleinenbroich – seit 1975 ein Ortsteil der Stadt Korschenbroich im Rhein-Kreis-Neuss – hat eine Jahrhunderte alte Geschichte. Der Name leitet sich ab von „Glehne/ Gleene/ Glan“ - urkeltisch/ureuropäisch für "Bach" - und „Broich“ (auch Broik oder Bruke) für Sumpfland * , im Hochdeutschen abgeschliffen zu Kleinenbroich. Urkundliche Erwähnungen reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück. Der Beginn einer Besiedlung der Region zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken wird jedoch noch weitaus früher angesetzt, nämlich schon mit dem Eindringen der Franken nach dem Ende der römischen Herrschaft im 5. Jahrhundert. Kleinenbroich wird als Honschaft der Büttgener Waldmark mit zu den ältesten Gruppensiedlungen in der Region gerechnet. Adelige Grundherrschaften gab es in der frühen Siedlungsepoche noch nicht. Erst im Laufe der Zeit bildeten Kleinenbroich, Büttgen, Glehn und Kapellen eine so genannte Freigrafschaft, das so genannte (Frei-)Gräfliche Land, mit ersten Merkmalen von Verwaltungs- und Gerichtsstrukturen.
Ein Kupferstich aus dem 16. Jahrhundert zeigt die alte Kirche, umgeben von mutmaßlich damals bedeutsamen Gebäuden: den so genannten Salhöfen der Grundherren und dem Weinhaus, das als Gerichtsstätte diente. Kleinenbroich als Ortschaft fehlt in kaum einer der zahlreichen Landkarten der Region, die seit Ende des 16. Jahrhunderts von berühmten Kartografen gezeichnet wurden.
Gerhard Mercator (1512-1594) Tabulae Geographicae Claudii Ptolemaei : ad mentem autorisrestitutae & emendatae (1578)
https://duepublico2.uni-due.de/receive/duepublico_mods_00070286 (Scan-Seite 331)
Rege Bautätigkeit – eingeschlossen der Eisenbahn- und Landesstraßenbau - als Folge der wirtschaftlichen Entwicklung und des kontinuierlichen Bevölkerungszuwachses veränderte das Ortsbild, in den letzten Jahrzehnten mit zunehmender Geschwindigkeit. Damit verschwinden zugleich auch nach und nach historische Zeugnisse „aus den Augen – aus dem Sinn“. Wer kennt heute noch den Standort der Poststation oder der Wassermühlen? Der staatliche Denkmalschutz kann diese Verluste nur punktuell aufhalten.
* „Broich“ (Broek/Brook, Bruk) kann auch abgeleitet sein aus dem Keltischen „Bro“, „Broge“ = Land bzw. Feld; vgl. Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein, Ausg. 1859, Heft 7, S 249 http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/download/webcache/2000/7982877
Bevölkerungsentwicklung
Jahr Einwohnerzahl
1798 972
1799 900
1800 720
1806 1200
1816 1096
1820 1184
1825 1185
1829 1228
1833 1244
1839 1302
1843 1329
1849 1349
1861 1671
1864 1707
1871 1703
1880/1881 1873
>>> Nachweise (pdf - 427 KB)
Wappen der Häuser von Randerath und von Stepprath
Spuren von Adelsfamilien
Zu den ältesten bebauten Flächen in Kleinenbroich zählt mutmaßlich die heute als Haus Randerath bekannte Hofanlage. In alten Aufzeichnungen des 12. Jahrhunderts ist sie anfänglich nur „Hof zu Bruke“ oder „Gut zu Kleinenbroiche“ genannt. Eine Verbindung mit dem Adelsgeschlecht von Randerath (Stammsitz in der gleichnamigen Burg bei Heinsberg) taucht erstmals in einer Urkunde aus dem Jahr 1395 auf, mit der die Belehnung durch einen Grafen von Holland bezeugt wird. Die ursprünglichen, als schlossähnlich beschriebenen Gebäude des Rittergutes stehen nicht mehr. Es gibt nur noch Reste des alten Wassergrabens und eine im 19. Jahrhundert errichtete Backsteinhofanlage, die als Bau- und Bodendenkmal geschützt sind. In unmittelbarer Nachbarschaft des Gutes befand sich eine dem hl. Maternus, später dem hl. Nikolaus geweihte Kapelle, die bereits 1166 erwähnt wird und unter dem Patronat des Grundherren stand. In kriegerischen Auseinandersetzungen 1554 und 1584 schwer in Mitleidenschaft gezogen, wurde sie 1594 erneut aufgebaut und dem hl. Dionysius geweiht. Fast 280 Jahre stand das Kirchlein an seinem Platz, wurde 1799 zur Pfarrkirche, bis es 1873, nach der Fertigstellung der neuen Kirche an der Hochstraße, endgültig abgerissen wurde. Heute erinnert nichts mehr an dieses Gebäude: das Grundstück liegt brach und dient zuweilen als Viehweide.
Die ehemals selbständige Gemeinde Kleinenbroich führte als letztes amtliches Wappen das rot-gold geschachtete Schild der Familie von Randerath, ergänzt an der linken oberen Seite um ein Abbild des hl. Dionysius.
Jakobäa (1401-1436), Prinzessin von Bayern und Gräfin von Holland, Seeland und Hennegau, >>> belehnt 1417 Heinrich I. von Hompesch, Ehemann der Sophia von Randerath, mit dem Gut in Kleinenbroich (Abbildung: gemeinfrei wikipedia)
Ein weiteres Rittergut in Kleinenbroich war der ehemalige „Stepprather Hof“, der ebenso wie das Haus Randerath von einem Wassergraben umgeben war. Er ist heute als „Hofesfeste“ ein geschütztes Bau- und Bodendenkmal. Das exakte Gründungsjahr der ursprünglichen Hofanlage ist bislang nicht bekannt. Die Adelsfamilie von Stepprath ist im Rheinland seit dem frühen 14. Jahrhundert nachgewiesen und weit verzweigt. Ihr Stammsitz war ein gleichnamiger Hof bei Stockum, heute zu Kreuzau nahe Düren gehörig. Als Lehensnehmer der Grafen von Liedberg taucht die Familie von Steprath im frühen 16. Jahrhundert auf. Ihr Wappen führt einen Jülicher Löwen in einem roten, mit silbernen Schindeln bestreuten Feld.
Ein vergessener Adelssitz ist das "Haushof" genannte Landgut, das an der Glehner Straße bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts stand. Historisch belegbar ist es bislang mindestens seit 1496.
Weiterlesen....
Quellen: Fr. Verres „Schloß und Amt Liedberg“ in: Niederrheinischer Geschichtsfreund Jahrgang 1881; Franz Nauen: Heimatbuch der Bürgermeistereien Korschenbroich, Kleinenbroich, Liedberg, Korschenbroich 1925; Hubert Köhnen: Heimatbuch Kleinenbroich, Kevelaer 1974; Jakob Bremer: Das kurkölnische Amt Liedberg, Mönchengladbach 1930
zu Steprath: L. Galesloot Livre des feudataires de Jean III Duc de Brabant , Bruxelles 1865 (Buch der Lehnsträger des Herzogs Johann III. von Brabant, Seite 16: „Arnoldus des Steppenrode. II hovas tam sive quam terre. Que bona acquisivit erga Johannem de Steppenrode“;
Seite 155: „Johannes, cocus comitis juliacensis, II hovas et ix jugera sita in comitatut juliacensi, apud Steppenrode“
Wappen:
Arnold Robens Der ritterbürtige landständische Adel des Großherzogthums Niederrhein : dargestellt in Wapen und Abstammungen, Bd. 2, Aachen 1818
Johann Maximilian Humbracht, Georg Helwicht Die höchste Zierde Teutsch-Landes, Und Vortrefflichkeit des Teutschen Adels (….) Frankfurt 1707
Kleinenbroich lag einst in Lothringen
Das Reich des Kaisers Lothar I. wurde nach dessen Tod im Jahr 855 unter seinen Söhnen aufgeteilt. Der fränkische König Lothar II. erhielt das Gebiet von Friesland bis Hochburgund; mit ihm begann die eigentliche Geschichte von Lotharingien. Nach seinem Tod kam das Gebiet – nach kurzzeitig wechselnden Zugehörigkeiten zum ostfränkischen und westfränkischen Reich - als Herzogtum Lothringen im Jahr 953 unter die Regentschaft des Erzbischofs Bruno von Köln. Dieser teilte es in Ober- und Niederlothringen , wobei letzteres in etwa die heutigen Niederlande, Belgien und die ehemalige Rheinprovinz umfasste. Im 11. Jh. verliehen die deutschen Kaiser Niederlothringen als Lehen an die Grafen von Limburg und die von Brabant. Der letzte Lehnsträger war Gottfried von Bouillon (1060 - ca. 1100), nach dessen Tod Niederlothringen in die Herzogtümer Limburg und Löwen (= Brabant) zerfiel. Aus dieser Zeit datieren die bislang bekannten frühen urkundlichen Erwähnungen eines Adelsgeschlechts in Liedberg und einer Kapelle am „Hof zu Cleynenbroich“, später Haus Randerath genannt. Die Ursprünge der Besiedlung liegen jedoch in deutlich weiter zurückliegender Zeit. Darauf weisen Bodenfunde aus römischer Zeit hin, die beispielsweise in Form von Gräbern (bei der Kirche St. Dionysius sowie nahe der Straße nach Neuss ) und Ziegeln, Scherben, Mauerresten südlich der Rhedung sowie westlich der Überseite und nordwestlich Engbrück auf bäuerliche Gehöfte schließen lassen.
Deutschland um das Jahr 1000
Karte: Gustav Droysen, Richard Andree, Allgemeiner historischer Handatlas, Bielefeld 1886 S. 22
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a3/Herzogtum_Lothringen_1000.PNG
Quellen zum Text:
Georg Christian Crollius, Erläuterte Reihe der Pfaltzgraven zu Achen oder in Niederlothringen : von ihrer Anordnung an biss auf Henrich von Lach Pfaltzgraven bey Rhein : mit einer Geschlechtstafel derselben, Zweibrücken 1762
https://archive.org/details/erlutertereihed00crolgoog/page/24/mode/2up?q=Bruno&view=theater
Jacob Friedrichs, Burg und territoriale Grafschaften, (Diss.) Bonn 1907 https://archive.org/details/burgundterritori00frie/page/34/mode/2up?q=Bertolf+Liedberg&view=theater
Vgl. auch T. J. Lacomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins, Band 1, Düsseldorf 1840
https://archive.org/details/bub_gb_m-VUl_LUaJsC/page/n301/mode/2up?q=Bertolf+Liedberg&view=theater
Die Kapelle vor dem Haus Randerath soll 1160 von Hildegunde von Liedberg erneuert worden sein; vgl. Joseph Thory, Die Pfarre Kleinenbroich, in: Franz Nauen, Heimatbuch Korschenbroich, Kleinenbroich, Liedberg, Korschenbroich 1925, S. 59ff; Nauen a.a.O. S. 46 erwähnt auch einen Bertolf von Bruch (Bruke = Kleinenbroich) als Siegelzeuge im Jahr 1134 und einen Udo von Bruke um das Jahr 1140; das benachbarte Büttgen wird 1027 erstmals urkundlich erwähnt, vgl. T. J. Lacomblet Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins, Düsseldorf 1840 https://digitale-sammlungen.ulb.uni-bonn.de/content/pageview/8357
Der Niederrhein, Ausgabe 1884 https://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/periodical/pageview/8684062 und
Ausgabe 1879 https://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/periodical/pageview/8674299
Bericht über die Tätigkeit des Provinzialmuseums Bonn 1924-1925, in: Jahrbuch des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande, Ausgabe 1925, S. 536 https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/bjb/article/view/45244
Weiterlesen: Manfred Groten Die Rheinlande im Hochmittelalter 785-1288 im Internetportal Rheinische Geschichte des Landschaftsverbands Rheinland (LVR)
https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Epochen/785-bis-1288---die-rheinlande-im-hochmittelalter/DE-2086/lido/57ab2238c87510.51484097
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Tranchot & Müffing - Kartenaufnahme der Rheinlande (1803-1828)
vgl. Kartenblätter 43 (Osterath) und 50 (Glehn)
http://www.wildernis.eu/chart-room/?nav0=Topographische%20Karten%20Deutschland&nav1=1801-1814-
1827%20Tranchot%20Rheinland&nav2=tranchot%20043%20Osterath
http://www.wildernis.eu/chart-room/?nav0=Topographische%20Karten%20Deutschland&nav1=1801-1814-
1827%20Tranchot%20Rheinland&nav2=tranchot%20050%20Glehn
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Gegenüber dem Haus Randerath stand bis ins Jahr 2015 der Gasthof „Zur Traube“. Der Standort war schon vor 1400 bezeugt als Gerichtsstätte für den Dingstuhl Kleinenbroich, für das „Hochgericht“ der Herren von Dyck und von Hülchrath und diente vermutlich auch als Zollstelle. In unmittelbarer Nähe soll auch ein Richtplatz mit Galgen und Pranger angelegt gewesen sein. Auf einer alten Flurkarte aus 1810 findet sich noch ein Galgenplatz eingezeichnet, auf einer Feldfläche gleich neben der heutigen Eisenbahnstrecke.
Historische Karte der "Grenzen des Dingstuhls Kleinenbroich" 1746
Quelle / Rechteinhaber: Landesarchiv NRW, Abt. Rheinland, RW Karten, Nr. 2714
(hier mit freundlicher Genehmigung)
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Von Handwerkern und Bauern
Die Überlieferung von Namen nichtadeliger Kleinenbroicher Einwohner aus dem 16. und 17. Jahrhundert ist eine bemerkenswerte Besonderheit. Die Quelle ist ein altes Neusser Bürgerbuch, in dem Personen mit Wohn- und Erwerbsrecht in der Stadt vermerkt sind. Es werden zum Beispiel, neben zahlreichen Namen aus Glehn, Korschenbroich, Liedberg, Lüttenglehn, Myllendonk, etc., genannt:
1550: Hinrich H o n f f van Cleynenbroich
1551: Jan a n g e (n) E i n c k (en) E n d t van Cleynenbroich
1552: Dreis (=Andreas) B a s b e n d e r van Cleynenbroich
1553: Jacob S c h o m e c h e r van Cleynebroich
1561: Jan u f m W i e r von Kleinesbroich (sic!)
1564: Johan C o e n e n von Cleinenbroich mit dem Schuhmacheramt
1566: Johann T r e m e r s von Kleinenbroich
1592: Dederich F r o m m e n von Kleinenbroich
1593: Jacob B e c k e r, Johann S m i t h von Kleinenbroick
1598: Goerdt G e r ß k e n s von Kleinenbroich
1603: Wilhelm L e u t g e s von Kleinenbroch, Tuchscherer
1604: Henrich T e m e r ß von Kleinenbroch
1605: Heinrich K r e m e r von Kleinenbroich [später gestrichen]
1614: Johann F r o e m von Kleinenbroch
1617: Lenz F r a n ß , Sägenschneider, Jan P l u m e r s
1620: Peter W e l t e r s von Kleinenbroich, Hutmacher
1621: Peter Z o h n s aus dem Kleinenbroich, Blaufärber
1622: Johann W e l t e r s von Kleinenbroich
1628: Wilhelm S c h r a m vom Kleinenbroich
Quelle: Auszüge aus der Zeitschrift „Archiv für Sippenforschung und alle verwandten Gebiete“
Jahrgänge 1928-1943 online: https://www.sbc.org.pl/dlibra/publication/476549#structure
„Das älteste Bürgerbuch von Neuss 1546-1578“, vgl. Jahrgang 1932
Heft 8, S. 246- 251, https://www.sbc.org.pl/dlibra/publication/476869/edition/446887
Heft 11, S. 353 - 358 https://www.sbc.org.pl/dlibra/publication/476872/edition/446890
„Die Neubürger der Stadt Neuss 1591-1630“, vgl. Jahrgang 1935
Heft 9, S. 269-276 https://www.sbc.org.pl/dlibra/publication/476990/edition/447001
Heft 10, S. 305 – 313 https://www.sbc.org.pl/dlibra/publication/476991/edition/447002
Heft 12, S. 388 – 396 https://www.sbc.org.pl/dlibra/publication/476993/edition/447004
Namen von Lehenshöfen aus der Zeit ihrer Gründung ab dem späten Mittelalter haben Heimatforscher aus zahlreichen Urkunden zusammengetragen. Adelige Grundherren aus der Umgebung (z.B. Liedberg, Erprath) vergaben landwirtschaftliche Flächen zur Pacht. Es bildeten sich lockere Gruppensiedlungen, Honschaften genannt. Mutmaßlich sind die Hofnamen nach den Selbstbezeichnungen der Pächter oder nach ihrer Funktion für den Salhof oder Overhof des Grundherren entstanden und zum Teil urkundlich festgehalten.
Von Erprath her wurden angesiedelt: Greensholthof, Holzhof, Breidenbroich, Lewenhof, Vowinkel, Zur Widen, zu Danne, zum Bierboum, Bodenklops, zu Sloet, upper Hoe.
Von Liedberg aus - genauer: vom Kaiserhof (dem so genannten Liedberger Oberhof/Overhof, in der Nähe des Mewis-Hofs gelegen) wurden außerdem folgende Höfe angelegt: Eghdorns, Kyppstaens, Helwighs, Wymer ( neben Haus Stepprath), Luetzerink, Rothausen, Kuysen, Voytz, Floire, Eng, Wymers, Reynk, Busch, Hagestolt, Slechtremen (später Schlechtriemen), Standertz, Schepers, Sloiter (Sloit) Bodeklopp, Smitt, Wydde, Danre, Wynkel, Schnoik, Kessel, Kempelmanns, Vlaiß, Korff, Hyntze, Kloeter, Thewis, in dem Meisendahl, Vetten, Breydenbroik, Creitpoiltz, Henggellinghen, Eiker, Venhellinks, Amerhoff, Voidzer, de Wever, Beiengoit, Mentzerhoiff, Ingerman, Honnenhof, Klappertzantz, Swartze, Teynboemer, Quaitz und Luehntghins; ab 1575 sind genannt: Vels, Trypoill, Bremer, Wenser, Buytzer, Weyner, Sierbom, Hocenen, Maes Breuwer, Thiemer, Flesgen, Fairstraß, Epsendorf. An den ehemaligen Püllenhof erinnert heute noch der Straßenname Püllenweg.
Zu erkennen sind hier die Höfe, die nach den Aufgaben für den übergeordneten Herrenhof benannt waren: Schepers-(später Seypers) = Schäfers-Gut, Schmitz = Schmiede-Gut, Vlais- = Flachs-Gut, Wever- = Weber-Gut, Beien- = Bienen-Gut, Korfs- = Korb-Gut, Teynbömer- = Zaunbäumer-Gut.
Insgesamt sind die wenigsten der Höfe heute noch erhalten oder zumindest mit ihrem Standort bekannt. Exakte und umfassende Karten mit Katastervermessungen gab es erst ab 1800 unter der französischen Herrschaft. Hinzu kommt, dass die Verortung heute in den mehrfach veränderten alten Honschafts- oder Dorfgrenzen von Kleinenbroich, Driesch, Rottes, Wenschrath und Büttgen schwer zu ermitteln ist. Im Jahr 1557 soll es in Kleinenbroich rund 170 Betriebe gegeben haben, die 1149 Morgen Land bewirtschafteten. Infolge kriegerischer Ereignisse in der Region sind jedoch im 16. bis 18. Jahrhundert (Stichworte: Truchsessischer Krieg, Dreißigjähriger Krieg, Spanisch-niederländischer Erbfolgekrieg, Napoleonische Kriegszüge) viele Anbauflächen und Anwesen verwüstet worden, lange Jahre verwaist geblieben und womöglich auch nie wieder aufgebaut worden.
Quellen: Jakob Bremer, Das kurkölnische Amt Liedberg, Mönchengladbach 1930; Gem. Kleinenbroich (Hrsg.)/Hubert Köhnen, Heimatbuch Kleinenbroich, Kevelaer 1974
Historische Liste der abgabepflichtigen Güter im Amt Liedberg 1618-1620:
vgl. Landesarchiv NRW, >>> Kleinenbroich: Scan 30 - 45
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Die Pfarre Kleinenbroich...
Die alte Kirche stand bis 1873 vor dem Haus Randerath Foto: wikipedia
....hat eine vielhundertjährige, wechselvolle Geschichte. Die Anfänge sind verbunden mit dem ehemaligen Rittergut am Standort des heutigen "Haus Randerath" und der Kirchengemeinde Büttgen.
Auszüge aus der Chronik sind >>> hier nachzulesen.
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Alltag des 19. Jahrhunderts
Wenn man – wie hier nachfolgend exemplarisch für das 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert - zeitgenössische Tageszeitungen und amtliche Verlautbarungen durchforstet, lassen sich ergänzende Eindrücke von Wechselfällen des Lebens im Dorf und von konkreten Ereignissen gewinnen, die seine Bewohner beschäftigt haben.
Die Militärpflicht des 19. Jahrhunderts hat schmerzliche Erinnerungen bei einzelnen Familien eingeprägt. So lässt sich die Teilnahme von Kleinenbroichern als Soldaten an weit entfernten kriegerischen Auseinandersetzungen aufspüren: 1866 wird der Kleinenbroicher Johann Tillmann, Füsilier in der Königlich Preußischen Armee, bei der Schlacht von Königgrätz schwer verletzt. Im gleichen Jahr erleidet der Gefreite Theodor Stierken aus Kleinenbroich eine Verletzung bei der Schlacht von Kissingen. Aus dem Hohenzollernschen Füsilier-Regiment Nr. 40 wird Jacob Vennen aus Kleinenbroich 1871 als vermisst gemeldet.
Vereinzelt gibt es namentliche öffentliche Fahndungen nach vermissten Kindern im Alter zwischen 9 und 14 Jahren (in einem Fall "bekleidet nur mit Hemd, Weste und Hose – ohne Strümpfe und Schuhe"), denen eine juristische Strafe wegen Landstreicherei und Bettelei droht.
In Bezug auf die ärztliche Versorgung erfährt man, dass 1853 dem Barbier Heinrich Leßmann zu Kleinenbroich die „Erlaubnis zur Ausübung der kleinen chirurgischen Hülfsleistungen daselbst auf jedesmalige besondere Anordnung einer als Wundarzt approbirten Medizinal-Person ertheilt“ wird. 1861 hat sich der praktische Arzt und Wundarzt Dr. Franz Sonderland in Kleinenbroich niedergelassen . Auch Hebammen erhielten eine amtliche Zulassung, wie z.B. Eva Frehn geb. Bisges im Jahr 1824 und Josephine Frehn im Jahr 1846 .
Der Ausbau des öffentlichen Straßennetzes - hier die 1846 genehmigte „Communal-Chaussee von Neuß nach Gladbach über Büttchen, Kleinenbroich und Korschenbroich“ - wird den Dorfbewohnern vermutlich durchaus willkommen gewesen sein, weniger dagegen das damit verbundene Wegegeld .
Über die bescheidenen Besitztümer in den mutmaßlich wenig wohlhabenden Haushalten erfährt man - bedauerlicherweise - etwas aus öffentlichen Diebstahlsanzeigen: Kupfergeschirr, Besteck, gebrauchte Kleidungsstücke, Tisch- und Bettwäsche , Zinnlampen, Stoffballen (auch Samt - "vom Webstuhl abgeschnitten", was von dem wichtigen Erwerbszweig der Hausweberei zeugt), selten auch Münzen und Schmuck, sind begehrtes Diebesgut, ebenso Lebensmittel (Butter, Eier, Mehl und sogar fertig gebackene Kuchen). Die Anzeigen geben darüber hinaus Aufschluss über die für Frauen übliche Tracht, zu der noch Hauben mit "Ohreisen" und eine "Falge" (d.h. Umhang), spitzenbesetzte Schürzen und Halstücher gehörten.
Quelle: div. Ausgaben des Amtsblatts für die Bezirksregierung Düsseldorf, online verfügbar (Stichwort "Kleinenbroich): https://digipress.digitale-sammlungen.de/search/simple
Karte des Rheinverlaufs (ca. 1860?), Ausschnitt Düsseldorf
(Tableau d’assemblage du cours du Rhin von L. Letronne)
https://bibliotecavirtual.defensa.gob.es/BVMDefensa/en/catalogo_imagenes/grupo.do?path=76659
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170 Jahre Bahnstation Kleinenbroich
Bei der Eröffnung der Eisenbahnstrecke zwischen Düsseldorf und Mönchengladbach im Januar 1853 hatte zunächst nur Kleinenbroich als einziger Ort auf der Linie einen Haltepunkt. Das Bahnhofsgebäude war bereits fertiggestellt, und der Fahrplan sah zunächst vier Zugpaare pro Tag vor. Bei den Fahrplänen war für die angegebenen Uhrzeiten eine Abweichung von der "mittleren Berliner Zeit" um rund 27 Minuten zu beachten.
Kölnische Zeitung, Ausgabe 16.01.1853
Man unterschied dabei anfangs zwischen Güterzügen mit Personenbeförderung und reinen Personenzügen. Es gab drei, manchmal auch vier Wagenklassen, und zur Förderung der lokalen Nutzung wurde schon im Oktober 1853 ein Vorzugstarif - in der 3. Klasse – in Höhe von ¼ des üblichen Fahrpreises eingeführt; ab 1895 verkaufte man für die Fahrt nach Köln so genannte Arbeiter-Rückfahrkarten zum Preis von 1,10 Mark. Die Bahnstation hatte für die wirtschaftliche Entwicklung des Dorfes und auch der Region eine wachsende Bedeutung. Umliegende Dörfer profitierten von der Nähe eines Bahnanschlusses: Beispielsweise warben Waldbesitzer bzw. Jagdpächter in Glehn, Liedberg und Pesch mit der günstigen Lage. An der Station waren schon vorsorglich Lagerplätze für angelieferte Kohle eingerichtet, diese wurden später gegen Entgelt verpachtet. Ein weiterer Güterschuppen wurde 1869 errichtet und 1911 die so genannte Freilade-Anlage für den Güterumschlag erweitert. Ab 1891 war der Güterbahnhof in Kleinenbroich laut einer amtlichen Liste sogar für die Annahme und Auslieferung von Sprengstoff zugelassen. Auch der Betrieb einer Bahnhofsgaststätte - gegen eine Pacht von 60 Talern – war von Beginn an Teil des Stationsangebots. 1897 plante das Betreiber-Unternehmen den zusätzlichen Bau von Bahnsteighallen (als Holzkonstruktion). Kleinenbroich gehörte zu den wenigen Orten, bei denen ab 1858 die „Telegraphen-Drähte“ des Eisenbahnbetriebs für private „Depeschen“ (nicht mehr als fünfzig Worte!) genutzt werden konnten.
. Streckenkarte der Aachen-Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn
in: Atlas zur Zeitschrift für Bauwesen, Ausg. 1857 (public domain)
: Digitale Landesbibliothek Berlin: https://digital.zlb.de/viewer/image/15244658_1857/48
Bei besonderen Anlässen wurden Sonderzüge eingesetzt, so z.B. für die Aachener Heiligtumsfahrt 1860, für eine Kaiserparade in Grevenbroich 1884 und für ein Trabrennen in Neuss 1888. Nicht zu vergessen ist im Rückblick der Bedarf an Beschäftigten für den Personen- und Güterbetrieb : Stationsvorsteher, Weichensteller, Bahnwärter, Bahnunterhaltungs- und Ladearbeiter waren gefragte Leute für vielfältige Arbeitsanforderungen in damals notwendiger „Handarbeit“. Die Wertschätzung dieser Tätigkeiten zeigt sich in überlieferten Berichten über die Verleihung eines kaiserlichen Ordens, dem „Allgemeinen Ehrenzeichen“, an verdiente pensionierte Mitarbeiter.
Aus den historischen Anfängen ist das unter Denkmalschutz stehende Bahnhofsgebäude erhalten; an der „Ladestraße“ erinnert nur noch die Straßenbezeichnung an den bis in die 1980er Jahre betriebenen Güterbahnhof.
Der Bau der Eisenbahnlinie war für Kleinenbroich Fluch und Segen zugleich. Die Streckenführung hat das Dorf damals in zwei Teile zerschnitten und so mutmaßlich stark dazu beigetragen, dass sich kein Ortskern als einladender Begegnungsraum für die Einwohnerschaft gebildet hat. Andererseits hat die Bahnstation die Ortsentwicklung auch in gewissem Rahmen günstig beeinflusst. Die heutige Anlage eines modernen S-Bahn-Haltepunktes macht Kleinenbroich interessant für auswärtige Beschäftigte in den lokalen Handwerks-, Handels- und Produktionsunternehmen wie auch für hier lebende Berufspendler in Richtung Mönchengladbach, Neuss, Köln und Düsseldorf.
Historisches Foto des Bahnhofsgebäudes:
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(Ansicht vor dem Bau der Umgehungsstraße L 381)
Quelle / Rechteinhaber:
Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland RW 0434 / Hansa Luftbild, Luftbildpläne 1:10.000 RW 0434, Nr. 2100 (hier mit freundlicher Genehmigung)
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Signet "Kleinenbroich" - Idee in Anlehnung an die ursprüngliche Dorfstruktur
... als Schmuckstück gearbeitet
in der örtlichen Goldschmiedewerkstatt von A. Schipperges
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Zum Weiterlesen:
Heimatverein Kleinenbroich (Hrsg.) "Kleinenbroich in alten Ansichten", Europäische Bibliothek Zaltbommel/Niederlande, Ausgabe 2010 ISBN 978 90 288 3383 8
Alfred Hunold, Hinters Schild geschaut. Korschenbroicher Straßennamen - Herkunft und Bedeutung, Norderstedt, 2. Aufl. 2018 ISBN 978 3 732 23208 6
Frank Steinbach, Ursprung und Wesen der Landgemeinde nach rheinischen Quellen, Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 87 , Westdeutscher Verlag Köln / Opladen 1960
Digitalisat online: >>> Universitätsbibliothek Heidelberg
Hermann Aubin (Hrsg.), Die Weistümer der Rheinprovinz. Zweite Abteilung: Die Weistfümer des Kurfürstentums Köln, Erster Band: Amt Hülchrath, Bonn 1913
Digitalisat online: >>> Universitätsbibliothek Köln
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Letzte Bearbeitung 16.05.2023